Titel der englischen Originalausgabe: The Dog Behavior Problem Solver
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Übersetzt aus dem Amerikanischen von Chrissi Schranz
Grafik & Layout: Kynos Verlag
eBook(ePub)-Ausgabe der Printversion 2018
eBook-ISBN: 978-3-95464-175-8
ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-95464-161-1
Bildnachweis siehe Seite 261
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Inhaltsverzeichnis
Teil I
Teil II
Verhalten und Training 12
Häufige Verhaltensprobleme
und ihre Lösungen 78
Hunde sind anders 14
Geduld, Engagement und Konsequenz 80
1 Was wir unter Verhaltensproblemen
verstehen und wodurch sie entstehen 17
Training: Die Basics 81
Wenn Verhalten zum
Problem wird 17
Komm!“ 82
Sitz!“ 84
Warum Probleme entstehen 18
Körperliche Probleme 20
Platz!“ 85
Trainingsdefizite 22
Husch, husch ins Körbchen!“ 85
Sozialisierungsdefizite 25
Bleib!“ 86
Missverständnisse zwischen
Hund und Halter 27
Warte!“ 86
Unrealistische Erwartungen 30
Lass es! / Hol’s dir!“ 87
Ablenkungen, wohin man auch blickt 33
Frei!“ 88
Nervosität, Schüchternheit und Angst 35
3 Aggression 90
Rassetypische Eigenschaften 37
Aggression von anderen
Verhaltensweisen abgrenzen 90
2 Trainingsphilosophie und Methoden 38
Aggression gegenüber Artgenossen 92
Was ist positives Training? 39
Aggression gegenüber Menschen 97
Belohnung oder Strafe 40
Leinenaggression 100
Expertenmeinungen 42
Ressourcenverteidigung 102
Belohnung, Bestechung und Lockmittel 44
Territorialaggression 104
Die Kontrolle behalten 45
Das Trainingsprogramm 107
Dem eigenen Training den
Feinschliff verleihen 61
Recherchieren 109
Trainingswerkzeuge 64
Aggressive Episoden verhindern 110
Professionelle Hilfe 68
Verschiedene Trainingsformate 74
7
Die Basics 114
9 Löcher graben 154
Gegenkonditionierung 114
Symptome 154
Desensibilisierung 115
Warum Hunde Löcher graben 154
Das Trainingsprogramm 155
Gegenkonditionierung
und Desensibilisierung kombinieren 117
10 Ausbruchskünstler und Streuner 159
Maulkorbtraining 119
Symptome 160
Tauschen 121
Warum Hunde weglaufen und streunen 160
Kehrtwendung für Notfälle 121
Das Trainingsprogramm 162
4 Bellen 123
11 Essen stehlen 172
Symptome 123
Symptome 172
Warum Hunde bellen 123
Warum Hunde Essen stehlen 173
Das Trainingsprogramm 126
Das Trainingsprogramm 175
5 Betteln 131
12 Aufreiten 179
Symptome 131
Symptome 179
Warum Hunde betteln 131
Warum Hunde aufreiten 180
Das Trainingsprogramm 132
Das Trainingsprogramm 180
6 Übelkeit beim Autofahren 135
Symptome 135
13 Signale ignorieren /
Bekanntes vergessen 183
Warum es Hunden
beim Autofahren übel wird 135
Symptome 183
Das Trainingsprogramm 136
Warum Ihr Hund Signale
ignoriert oder vergisst 184
7 Jagen und Hüten 139
Das Trainingsprogramm 186
Symptome 139
14 An der Leine ziehen 188
Warum jagen und hüten Hunde? 140
Symptome 188
Das Trainingsprogramm 141
Warum Hunde an der Leine ziehen 189
8 Kauen 147
Das Trainingsprogramm 190
Symptome 147
15 Hochspringen 194
Warum Hunde kauen 147
Symptome 195
Das Trainingsprogramm 148
Warum Hunde an
Menschen hochspringen 195
Das Trainingsprogramm 196
8
16 Spielbeißen und Zwicken 200
21 Winseln 245
Symptome 200
Symptome 246
Warum Hunde beißen und zwicken 200
Warum Hunde winseln 246
Das Trainingsprogramm 202
Das Trainingsprogramm 247
17 Phobien 204
Teoti Anderson 254
Symptome 205
Danksagung 255
Wie Phobien entstehen 205
Das Trainingsprogramm 206
Quellen 256
18 Probleme mit der Stubenreinheit 212
Glossar 256
INDEX 258
Symptome 212
Warum sind Hunde stubenunrein? 212
Das Trainingsprogramm 214
19 Trennungsangst 228
Symptome 228
Warum Hunde
Trennungsangst entwickeln 230
Das Trainingsprogramm 231
20 Ängstlichkeit 236
Symptome 236
Warum Hunde schüchtern
und ängstlich sind 237
Das Trainingsprogramm 239
9
10
Teil I
Verhalten
und
Training
12
Das Vertrauen zwischen Hund und
Halter ist essentiell.
13
So war das NICHT geplant! Sie erinnern sich ganz genau an den Wunsch, der am Anfang dieses Abenteuers stand: Sie wollten Ihre Familie um einen Vierbeiner erweitern. Ein Freund auf vier Pfoten sollte es sein, der mit Ihnen durch Dick und Dünn gehen und immer zu Ihnen stehen würde. Sie träumten von einem süßen, liebenswerten Begleiter − klug, freundlich und so gut erzogen, dass Sie ihn überallhin mitnehmen könnten. Es hätte perfekt werden sollen − und doch: Der Traum vom perfekten Begleiter musste bald der alles andere als perfekten Realität weichen. Ihr Hund hat Probleme. Und so langsam machen Sie sich Sorgen.
Was ist passiert? Sie haben Bekannte mit Hunden wie Ihrem − und mit deren Hunden scheint alles großartig zu laufen! Ihre Arbeitskollegen tauschen lustige Geschich- ________
ten über die Streiche ihrer Vierbeiner aus und Ihre Ver- wandten geben mit den Erfol- gen ihrer Hunde an. Vielleicht hatten Sie sogar selbst schon einmal einen Hund, mit dem das Zusammenleben ganz un- kompliziert war. Warum ist die- ser Hund so anders? Wie kann es sein, dass aus dem Zusam- menleben mit einem süßen, wunderschönen Vierbeiner ein solcher Alptraum wurde? Stimmt mit Ihrem Hund etwas nicht? Und, was fast noch wich- tiger ist: Können Sie seine Pro- bleme lösen?
Sie sind nicht alleine, selbst wenn es sich manchmal so an- fühlt. Verzweifeln Sie nicht! Sie haben beschlossen, Ihrem Hund zu helfen, und das ist ein wichtiger und guter erster Schritt!
Hunde sind anders
14
Sein Zuhause mit einer anderen Spezies zu teilen bringt immer auch Herausforderun- gen mit sich: Sie sehen die Welt aus anderen Augen als Ihr Partner mit der kalten Schnauze. Andere Dinge erregen Ihre Aufmerksamkeit und lenken Sie ab. Sie sehen besser, während er besser riecht und hört. Die Art und Weise, wie Sie die Welt um sich herum wahrnehmen, wirkt sich auf Ihr Verhalten aus. So ist es etwa gut möglich, dass Sie vom Anblick eines Freundes am anderen Ende der Straße abgelenkt werden, während Ihr Hund sich in den Geruch eines zwei Blocks weiter am Grill liegenden Steaks hineinsteigert.
Auch Informationen werden von Mensch und Hund unterschiedlich verarbeitet: Wir kommunizieren in erster Linie verbal, wäh- rend Hunde sich stark auf die Körpersprache verlassen. Menschen können durchaus das eine sagen und das andere meinen, während Hunde ausnahmslos ehrlich sind. Anders als bei so manchem Mitmenschen weiß man bei einem Hund immer, woran man ist. Ist es verwunderlich, dass es zu Missverständ- nissen zwischen Mensch und Hund kommt?
Sie setzen unterschiedliche Prioritäten: Während sich Ihr Leben um geschäfliche Termine dreht, lebt Ihr Hund dafür, Ihnen Tennisbälle zu bringen. Auch die Talente des Hundes unterscheiden sich von unseren eigenen: Hunde sind gut darin, zu kauen, zu ziehen, zu springen, zu graben … Einerseits bewundern und lieben wir Hunde dafür, was sie sind, andererseits ärgern wir uns, wenn sie sich wie Hunde verhalten. Manche Problemverhalten sind klein; andere sind bitterernst.
Studien zeigen, dass Hunde besonders häu- fig aufgrund von Verhaltensproblemen in Tierheimen und bei Tierschutzvereinen abgegeben werden. Die Liste der Probleme, über welche die Besitzer klagen, wird von Aggression gegenüber Menschen und an deren Haustieren, Ausbrechen, Weglaufen und Streunen, Zerstörungswut in Haus oder Garten, Hyperaktivität, mangelnder Stuben- reinheit und Ungehorsam angeführt. Das soll natürlich nicht heißen, dass alle Tier- heimhunde Verhaltensprobleme hätten. Das ist ganz und gar nicht der Fall − schließlich gibt es noch zahlreiche weitere Gründe für ________
eine Abgabe des Hundes im Tierheim; darunter ein Umzug an Orte, an die der Hund nicht mitgenommen werden kann, Scheidungen, Todesfälle in der Familie, finanzielle Schwierigkeiten, für den Hund zu sorgen, und vieles mehr. Und doch finden sich häufig Verhaltensprobleme ganz oben auf der Liste der Abgabegründe.
Manch ein Hundehalter ist mit dem Pro- blemverhalten seines Hundes überfordert. Manchmal liegt das ganz einfach an un- glücklichen Umständen; manchmal liegt es daran, dass sich ein Besitzer im Vorfeld zu wenig über die Haltung des gewünschten Hundes informiert hat. Was auch immer der Hintergrund ist − die Tatsache, dass Verhal- tensprobleme eine der Hauptursachen für die Abgabe eines Hundes darstellen, sollte Ihnen zeigen, dass Problemverhalten relativ häufig auftreten. Lassen Sie sich von all den Erzählungen über perfekte Hunde, mit de- nen Sie Ihren Hund zu vergleichen pflegen, nicht entmutigen. Vielleicht erzählt man Ih- nen einfach nur jene Geschichten, in denen Hund und Halter gut dastehen, und ver- schweigt jene, in denen Lassie sich von ihrer schlimmen Seite zeigt.
Der Geruchssinn des Hundes ist
dem des Menschen
weit überlegen.
15
Nur, weil Ihr Hund ein Problemverhalten zeigt, heißt das noch lange nicht, dass mit ihm etwas nicht stimmt oder er ein „schlim- mer“ Hund ist. Jeder Hund hat seine ganz eigene Persönlichkeit und individuelle Cha- rakterzüge. Auch Ihr Hund ist einzigartig, und neben all seinen guten Eigenschaften hat er eben auch das eine oder andere Pro- blem, mit dem Sie sich auseinandersetzen müssen. Das ist keineswegs ein Grund, ihn weniger zu lieben. Ja, er stellt Sie vor Heraus- forderungen − aber er ist trotzdem immer noch das wuschelige, liebenswerte Wesen, das sie bei sich aufgenommen haben. Sie ha- ben sich aus einem ganz bestimmten Grund für diesen Hund entschieden: Er hatte dieses gewisse Etwas … diese ganz besondere Ausstrahlung … Sein Blick und die Art und ________
Weise, wie er mit Ihnen interagierte, ließen Ihr Herz höherschlagen. Und das gelingt ihm bis heute. Auch wenn er Ihre Geduld auf die Probe stellt, so lieben Sie ihn doch von gan- zem Herzen.
Was sollten Sie also tun, um sein Problem zu lösen? Setzen Sie positive Schritte, um zu er- fahren, was zu den unerwünschten Verhal- tensweisen Ihres Hundes beiträgt und wie Sie an diesen arbeiten können.
Der Weg zu einem wohlerzogenen
Hund führt über Zeit, Geduld und
Training.
Hund und Laptop
− nicht immer eine gute
Kombination!
16
1 Was wir unter Verhaltensproblemen
verstehen und wodurch sie entstehen
Sein Zuhause mit einem Hund mit Verhaltensproblemen zu teilen, kann sehr frustrierend sein. Nur zu leicht nehmen wir es persönlich, wenn unser Hund etwas macht, was uns nicht recht ist: Liebt er uns nicht? Sieht er nicht, wie gut er es bei uns hat? Dabei handelt es sich um eine typisch menschliche Reaktion − und zwar eine, die ebenso intuitiv wie unzutreffend ist! Hunde sehen die Dinge anders. Wahrscheinlich sieht Ihr Hund das, was er tut, überhaupt nicht als Problem. Bei vielen Dingen, die uns Menschen an einem Vierbeiner stören − dar- unter Springen, Graben, Knurren und Kauen -, handelt es sich um ganz normale, typische Hundeverhaltensweisen. Das soll natürlich nicht heißen, dass Sie diese Dinge einfach hin- nehmen müssten − doch um Probleme zu lösen, müssen Sie erst einmal verstehen, dass Sie und Ihr Hund den Begriff „Problem“ ganz anders definieren. Kein Wunder: Schließlich sind selbst wir Menschen uns nicht immer einig, was ein Problem darstellt und was nicht!
Ein Beispiel: In Ihrem Haus gilt ausnahmslos, dass Hunde nichts auf Möbelstücken zu su- chen haben. Ihre Kusine hingegen erlaubt ihren Hunden, auf dem Sofa zu liegen und im Bett zu schlafen. Sie wollen nicht, dass Ihr Hund an Ihnen hochspringt. Ihre Kusine hingegen ermuntert ihren Hund ständig, seine Pfoten auf ihre Schultern zu legen. Wer von Ihnen hat nun Recht? Sowohl Sie als auch Ihre Kusine!
Viele Verhaltensweisen stellen nur dann ein Problem dar, wenn Sie sich dadurch gestört füh- len. Daher ist es auch absolut in Ordnung, wenn in Ihrem Haus ganz andere Regeln gelten als für die Hunde anderer Menschen.
Wenn Verhalten zum
Problem wird
Verhaltensweisen, die den Hund, andere Menschen oder andere Tiere gefährden, sind definitiv Probleme. Ein Beispiel hierfür ist Aggression: Sie ist gefährlich für andere Menschen und Tiere, und sogar für den aggressiven Hund selbst. Kann er nicht re- sozialisiert werden, wird er möglicherweise eingeschläfert.
Wenn das Verhalten Ihres Hundes Sie, Ihre Familie, Freunde oder Nachbarn stört, dann wird es zum Problem. So gilt etwa Zerstö- rungswut in der Regel als Problem. Auch ________
17
Im Umgang mit Ihrem Hund ist es wichtig, zu wissen, dass Verhaltensprobleme in der Regel nicht von selbst verschwinden. Sie können das Problem nicht einfach ignorie- ren und darauf hoffen, dass der Hund es sich früher oder später von selbst abgewöhnt. Se- hen Sie bitte auch davon ab, Ausreden für Ih- ren Hund zu finden: Während es eine gute Sache ist, über die Ursprünge und Ursachen unerwünschten Verhaltens nachzudenken, ist es alles andere als hilfreich, zu sagen: „Oh, er knurrt, wenn man sich seinem Futter nähert, weil er auf der Straße aufgewachsen ist.“ Diese Aussage beruhigt niemanden, nachdem Ihr Hund ihn gebissen hat!
Verschieben Sie Training und Verhaltens- modifikation auf später, verschlimmert sich das Problem in der Regel noch weiter: Je öf- ter ein Hund ein bestimmtes Verhalten aus- führt, desto stärker verinnerlicht er dieses. Früher oder später wird es zu seiner Stan- dardreaktion in einer bestimmten Situation werden. Je tiefer eine problematische Reak- ________
Ein Hund auf der Couch ist nur dann ein Problem, wenn Sie ihn lieber am
Boden wüssten!
Warum Probleme entstehen
18
tion im Verhaltensrepertoir Ihres Hundes verwurzelt ist, desto schwieriger ist es, ihm diese abzugewöhnen.
Ein knurrender Welpe kann zu einem er- wachsenen Hund heranwachsen, der beißt. Ein Hund, der gern gräbt, gräbt im Laufe der Zeit immer mehr und größere Löcher. Un- ruhige Hunde verwandeln sich nicht über Nacht in höfliche, ruhige Zeitgenossen. Doch glücklicherweise ignorieren Sie kein Problem, sondern arbeiten daran − sonst würden Sie dieses Buch nicht lesen! Den ers- ten positiven Schritt in die richtige Richtung haben Sie damit schon getan.
Wenn Sie sich dazu entschließen, Ihr Le- ben mit einem Hund zu teilen, werden Sie früher oder später ein Problem haben − das liegt in der Natur der Sache. Vielleicht neigt Ihr Vierbeiner zum Dauerbellen, wird nicht ________
Aggressionsverhalten stellt immer ein Problem dar. Positives Training schafft in
vielen Fällen Abhilfe.
stubenrein, zieht Sie an der Leine hinter sich her oder knurrt, wenn Sie ihm einen Kno- chen wegnehmen wollen. Vielleicht ist er ein Ausbruchskünstler oder versteckt sich unterm Tisch, wenn Sie ihn bürsten wollen. Wie kommt es dazu?
uns stört, wenn sie dies im Haus tun. Wir nehmen einen Hund auf und erwarten, dass er sich an unsere Regeln hält − aber wir sind nicht immer gut darin, ihm diese Regeln zu erklären.
Verhaltensprobleme können aus den unterschiedlichsten Gründen entstehen. Manche davon sind Ihrem Liebling einfach angeboren, weil er der Spezies Hund angehört: Hunde lieben es, Gerüchen zu folgen, selbst wenn sie einen Menschen an der Leine hinter sich herziehen müssen, um zum Ausgangspunkt eines Duftes zu gelangen. Sie graben Löcher und kauen für ihr Leben gern. Sie müssen ihr Geschäft verrichten und verstehen nicht, warum es ________
Das Graben von Löchern wird
schnell zum Problem, wenn Sie
nicht gegensteuern.
19
Körperliche Probleme
Sein Leben mit einem Problemhund zu tei- len kann entmutigend und frustrierend sein. Sie haben sich einen Partner gewünscht, kein Problem! Was ist schiefgelaufen? Wa- rum hat sich Ihr Hund zum Problemkind entwickelt?
Häufig machen Halter den Fehler, Verhal- tensprobleme auf Sturheit zurückzuführen. Ein Beispiel: Normalerweise genießt Ihr Hund Spaziergänge durch Ihr Viertel. Eines Tages aber bleibt er stocksteif stehen und weigert sich, weiterzugehen. Bald wird da- raus eine Angewohnheit: Ihre Spaziergänge beginnen so schön wie früher, aber nach ei- niger Zeit bleibt Ihr Hund stehen und will nicht mehr weiter. Bevor Sie Ihren Hund trotzig und stur nennen, sollten Sie ihn ei- nem Tierarzt vorstellen.
Ein Verhaltensproblem, das auf körper- liches Unwohlsein zurückgeht, lässt sich kaum modifizieren, bevor das grundlegen- de Gesundheitsproblem behandelt wur- de. Umgekehrt kann es sein, dass sich auch das Verhaltensproblem in Luft auflöst, so- bald die körperliche Ursache aus der Welt geschafft wurde. Aus demselben Grund ra- ten viele modern arbeitende Trainer, Ih- ren Hund einem Tierarzt vorzustellen, bevor Sie ein Trainingsprogramm begin- nen. Besonders unerwartete, plötzlich auf- tretende Verhaltensänderungen sind ein Warnsignal, das auf mögliche körperliche Beschwerden hindeutet. Entwickelt Ihr bisher unkomplizierter Hund also ein Verhaltensproblem, empfiehlt es sich, ihn als Erstes gründlich untersuchen zu lassen, um körperliche Ursachen auszuschließen. War Ihr Hund etwa sein Leben lang stubenrein, beginnt aber plötzlich, ins Haus zu pinkeln, könnte er an einer Blasenentzündung oder Ähnlichem leiden.
Ein Tierarzt kann körperliche Ursachen für Verhaltensprobleme ausschließen.
20
Medizinische Probleme
Und das ist bei Weitem nicht alles. Ein or- thopädisches Problem, das mit Schmerzen und Verhaltensänderungen einhergehen kann, ist die Hüftdysplasie. Dabei handelt es sich um eine Fehlbildung der Hüftpfanne, welche die Bewegungsmöglichkeiten ein- schränken und mit starken Schmerzen ver- bunden sein kann. Bei bestimmten Rassen, darunter Bulldoggen, Französische Bulldog- ge, Rottweiler, Shi Tzus und Golden Retrie- ver tritt die Erkrankung genetisch bedingt vermehrt auf.
Hüftdysplasie tritt meist bei älteren Hun- den auf, kann aber auch einem jungen Hund Probleme bereiten. Wie andere Knochen- und Gelenkserkrankungen kann sie dazu führen, dass betroffene Hunde sich weniger beziehungsweise langsamer bewegen. Zer- rungen, Muskelfaser- und Bänderrisse kön- nen denselben Effekt haben. Weigert sich Ihr bisher aktiver Hund, ins Auto oder aufs Bett zu springen oder Treppen zu steigen, ist es gut möglich, dass er körperliche Schmerzen hat. Trotz hat damit rein gar nichts zu tun!
Schmerzhafte Erkrankungen der
Knochen, darunter Hüftdysplasie
und Arthrose, lassen sich im Röntgen-
bild feststellen.
Ein Hund, der unter Schmerzen leidet, kann sich zurückziehen oder auch aggres- siv reagieren. Der kleine Hund, der nach Ihnen schnappt, wenn Sie ihn aufheben, leidet möglicherweise unter Arthrose, und der normalerweise freundliche und soziale Vierbeiner, der nach dem Tierarzt schnappt, wenn dieser sein Ohr untersuchen möchte, hat vielleicht eine Ohrenentzündung.
Chronische Erkrankungen
häufig besonders viel Wasser. Das wieder- um führt dazu, dass sie ihre Blase häufiger entleeren müssen. Gibt es keine Möglichkeit, rechtzeitig nach draußen zu gelangen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als dies im Haus zu tun. Auch Arthrose und andere schmerz- hafte Gelenkserkrankungen können dazu führen, dass ein Hund seine Geschäfte im Haus erledigt: Nach draußen zu gehen ist zu schwierig und schmerzhaft geworden.
Auch Krankheiten wie Diabetes können sich auf das Verhalten auswirken. Diabetische Hunde sind ständig durstig und trinken ________
21
Körpersprachliche Hinweise auf Schmerzen
Wird Ihr Hund beim Streicheln und Kraulen plötzlich steif, wenn Sie eine bestimmte Stelle berühren? Dreht er den Kopf weg oder leckt sich über die Lefzen? Hechelt er beim Streicheln, hört aber plötzlich damit auf, schließt das Maul und scheint dabei die Zähne zusammenzubeißen, wenn Sie eine bestimmte Stelle erreichen? Sobald Sie die Hand von der entsprechenden Stelle entfernen, entspannt er wieder.
Haben Sie einen älteren Hund, der sich mit Ihrem jüngeren Hund immer gut verstanden hat, in letzter Zeit aber die Zähne bleckt, wenn der Jüngere in seine Nähe kommt? Beobachten Sie vermehrt Zankereien, während die beiden früher ein Herz und eine Seele waren? Situationen wie diese sind ein Zeichen, dass Sie zum Tierarzt gehen sollten: Es ist gut möglich, dass Ihr Hund Zeichen von Stress und Aggression zeigt, weil er Schmerzen verspürt.
Manche Hunde zeigen uns deutlich, wenn ihnen etwas weh tut, während andere sich wenig anmerken lassen. Im zweiten Fall müssen Sie Detektiv spielen, um herauszufinden, was das Problem ist. Ihr Tierarzt hilft, körperliche Ursachen für Verhaltensänderungen auszuschließen.
Taubheit
Trainingsdefizite
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Auch Taubheit kann zu einem Problem wer- den. Manch ein älterer Hund hört schlecht oder gar nicht mehr, was dazu führt, dass er auch Ihren Rückruf oder andere verbale Sig- nale nicht wahrnimmt. Er ist nicht stur, son- dern ganz einfach taub.
Viele Problemverhalten lassen sich auf einen Mangel an Training zurückführen: Ihr Hund kann nicht wissen, was Sie von ihm erwar- ten, wenn Sie es ihm nicht beigebracht ha- ben! Sie müssen ihn auf eine Art und Weise erziehen, die er auch versteht.
Vergessen Sie nicht, dass Hunde nicht mit der Fähigkeit auf die Welt kommen, die deut- sche Sprache zu verstehen. Daher erreichen Sie wenig, wenn Sie aus voller Kehle „Komm ________
Gelenkschmerzen führen dazu, dass ältere Hunde sich weniger bewegen als früher.
Lernen Sie, die Körpersprache Ihres Hundes zu lesen! Ein Hund, der Ihnen den
Bauch entgegenstreckt, um gekrault zu werden, fühlt sich wohl.
HER!“ rufen − es sei denn, Sie haben Ihrem Hund beigebracht, was diese Worte bedeu- ten. Genauso wenig lernt Ihr Hund, sich auf Ihr Signal hin zu setzen, wenn Sie „Sitz! Sitz! Sitz! SITZ!“ rufen, ohne ihm jemals gezeigt zu haben, was Sie damit meinen.
Bevor Hunde verbale Signale lernen, ler- nen sie, unsere Körpersprache zu lesen. Aus diesem Grund ist es meist einfacher, einen Hund Handsignale zu lehren: Diese werden schneller verstanden als Worte. Das heißt natürlich nicht, dass Sie ausschließlich mit- tels Gestik mit Ihrem Hund kommunizieren sollten (obwohl dieser Ansatz sinnvoll, falls Ihr Hund taub ist). Es heißt ganz einfach, dass Sie geduldig sein müssen, während der ________
Sie müssen Ihren Hund nicht körperlich strafen, um
ihm Neues beizubringen.
23
Hund verbale Signale mit Gesten und Ver- haltensweisen in Verbindung bringt. Ihr Hund versteht nicht, was Sie meinen, wenn Sie einfach nur ein neues Wort sagen. Sie müssen ihm zeigen, was dieses bedeutet!
Hunde wissen auch nicht automatisch, wel- ches Verhalten Sie von ihnen erwarten. Auch das müssen Sie ihnen erst beibringen. Beispielsweise ist es ganz normal für einen Hund, seiner Nase zu folgen. Manchmal führt ihn seine Nase auf die Küchenanrich- te, auf der das Mittagessen duftet. Solan- ge Sie ihm nicht beigebracht haben, dass ________
Positives Training
Vielleicht haben Sie eine klare Vorstellung davon, was Ihr Hund tun sollte und was nicht. Nun gilt es, Ihrem Hund mitzuteilen, was Sie von ihm erwarten − und zwar so, dass er Sie auch versteht! Positives Training eignet sich ausgezeichnet hierfür.
Ein Lehrer, der effektiv kommunizieren will, muss sich an seine Schüler anpassen. Stellen Sie sich vor, Sie würden Autofahren lernen. Ihr Fahrlehrer spricht und versteht kein Deutsch, und Sie verstehen seine Sprache nicht. Wie würden Sie ihm Fragen stellen, wenn etwas unklar wäre? Woher wüssten Sie, ob Sie etwas richtig oder falsch gemacht haben? Würde es Sie nervös machen, Ihr Auto mithilfe dieses Fahrlehrers durch die turbulente Innenstadt zu lenken? Die Stunde wäre ausgesprochen frustrierend, und wenn Sie überhaupt etwas lernen würden, dann wahrscheinlich nur sehr langsam.
Sie sprechen zwar nicht die Sprache Ihres Hundes, aber Sie können lernen, ihn besser zu verstehen und auf dieser Basis effektiver mit ihm zu kommunizieren. So werden Sie ein besserer Trainer und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, ihm erfolgreich zu vermitteln, was Sie von ihm erwarten.
Das klingt vielleicht, als würde die Hundehaltung jede Menge Training bedeuten. Das ist tatsächlich der Fall! Wenn Sie Ihren Hund zu einem angenehmen Familienmitglied machen wollen, ist Training wichtig. Hat Ihr Hund Verhaltensprobleme, ist es sogar unumgänglich, mit ihm zu arbeiten. Positives Training hilft Ihnen dabei, die Schwierigkeiten zu lösen.
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die Küchenanrichte tabu ist, hat Ihr Hund keinen Grund, sich nicht selbstständig am Schweinsbraten zu bedienen. Ebenso nei- gen Hunde dazu, zur Tür hinauszustürmen, sobald sich diese öffnet: Sie freuen sich dar- auf, durch den Garten zu tollen! Wünschen Sie sich, dass Ihr Hund an Türschwellen wartet, bis Sie ihn freigeben, müssen Sie ihm auch das erst beibringen. Welpen sind berüchtigt dafür, alles ins Maul zu nehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Sie haben keine Ahnung, woran sie kauen dürften und woran nicht − es sei denn, Sie erklären es ihnen.
Das Training ist wesentlich einfacher, wenn Sie lernen, Ihren Hund zu
verstehen.
Sozialisierungsdefizite
für Züchter und neue Welpenbesitzer: die ersten acht Wochen in Zusammenarbeit mit dem Züchter, die folgenden acht Wochen mit dem neuen Halter. Ein präventivmedizi- nisches Schlüsselelement eines solchen Sozi- alisierungsprogramms ist die Betreuung der Welpen im Alter von acht bis zwölf Wochen. Dadurch wird die Bindung von Hund und Halter gestärkt und der Grundstein für ein Leben in der Familie bis zum Alter von 12 - 18 Jahren gelegt.“
In ihrer Welpenzeit − genauer gesagt von ihrer Geburt bis zu einem Alter von 12 – 16 Wochen − entwickeln Hunde ihr zukünf- tiges Weltbild. Die Erfahrungen, die sie in diesem Alter machen, haben lebenslange Auswirkungen. Tierarzt Dr. R. K. Anderson (American College of Veterinary Medici- ne, American College of Veterinary Beha- viorists) war ein bekannter Befürworter der Welpenfrühförderung. Er schreibt: „Züch- ter, neue Welpenbesitzer, Tierärzte, Trainer und Verhaltensforscher tragen die Verant- wortung, einem Hund in der wichtigen Zeit zwischen Geburt und dem Alter von 16 Wo- chen Lern- und Sozialisierungserfahrungen mit anderen Welpen/Hunden, Kindern/Er- wachsenen und verschiedenen Umweltsi- tuationen zu ermöglichen. Viele Tierärzte integrieren ein solches Frühsozialisierungs- und Lernprogramm in einen Wellness-Plan ________
Was, wenn Ihr Hund bereits erwachsen war, als Sie ihn bei sich aufgenommen ha- ben, und Sie nicht wissen, wie seine ersten Lebenswochen und -monate ausgesehen haben? Was, wenn Sie Ihren Hund zwar als Welpen bekommen haben, sich allerdings nicht der Bedeutung des Sozialisierungs- fensters bewusst waren und dieses verpasst haben? Ein Mangel an positiven Sozialisie- rungserfahrungen kann zu Verhaltenspro- blemen führen.
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Beispielsweise ist es möglich, dass sich ein Hund, der in der Welpenzeit keine positiven Erfahrungen mit Kindern sammeln durf- te, im erwachsenen Alter vor diesen fürch- tet. Unter Umständen drückt er dies aus, indem er Kinder anknurrt oder nach ihnen schnappt. Ein Welpe, der höchstens dann das Haus verlässt, wenn er zum Tierarzt muss, kann sich als erwachsener Hund vor ________
fremden Umgebungen fürchten. Ein Wel- pe, der keinen positiven Kontakt zu anderen Hunden hatte, knurrt diese in seiner Jugend vielleicht an und springt in die Leine, wenn er ihnen begegnet. Die Welpenzeit prägt Ih- ren Hund für den Rest seines Lebens. Sozi- alisierungsdefizite könnten der Hauptgrund für die Verhaltensprobleme Ihres Hundes sein.
Welpen: Die Vorteile guter Sozialisierung
Sozialisierung ist mehr als bloß dafür zu sorgen, dass Ihr Welpe die verschiedensten Erfahrungen macht: Bei guter Sozialisierung geht es in erster Linie darum, den Welpen möglichst viele verschiedene positive Erfahrungen machen zu lassen. Begegnet er Menschen, die ihm Angst machen, oder findet er etwas furchteinflößend, ist es leicht möglich, dass er im erwachsenen Alter Angst vor ähnlichen Menschen beziehungsweise Situationen hat.
Es ist auch wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Sozialisieren eines Hundes nicht im Alter von 16 Wochen endet. Zu diesem Zeitpunkt schließt sich zwar das kritische Sozialisierungsfenster, aber wenn Sie nun aufhören, Ihren Welpen neuen Menschen und Situationen auszusetzen, ist es möglich, dass das, was er in den ersten Lebenswochen gelernt hat, im Laufe der Zeit verloren geht. Ihr Welpe muss weiterhin positive Erfahrungen sammeln dürften. Ganz besonders gilt dies für Hunde, die dazu neigen, ängstlich oder schüchtern zu sein.
Es stimmt, dass manche Hunde trotz schlechter Kinderstube zu unkomplizierten, entspannten Vierbeinern heranwachsen. Diese Hunde haben Glück! Bis heute führt man die alte Debatte, ob nun Anlage oder Umwelt den größeren Einfluss haben. Niemand kann mit Sicherheit sagen, warum manche Hunde, die einen schwierigen Start ins Leben hatten, sich prächtig entwickeln, während andere große Probleme zeigen. Um die Wahrscheinlichkeit zu optimieren, dass Ihr Welpe zu einem angenehmen, wohlerzogenen und selbstsicheren Hund heranwächst, empfiehlt es sich, die kritische Sozialisierungsperiode zu nutzen, so gut es geht.
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Daniel ihn anschreit. Roman genießt es auch, wenn Dani- el ihn nach hinten stößt: Es fühlt sich wie enthusiastisches Streicheln an! Es macht Spaß! Roman springt also bei jeder Gelegenheit an Daniel hoch − es ist eines seiner Lieblings- spiele. Daniel hingegen wollte Roman beibringen, das Sprin- gen zu unterlassen, hat ihn al- lerdings das genaue Gegenteil gelehrt: Roman springt im- mer öfter an ihm hoch! Was ________
ursprünglich ein kleines Verhaltenspro- blem war, ist mittlerweile zu einem richtig großen geworden.
Hat ein Welpe positiven Kontakt zu Kindern, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er diese auch als erwach- sener Hund mag.
Missverständnisse zwischen
Hund und Halter
Viele Menschen gehen davon aus, dass sie gut darin sind, mit anderen zu kommuni- zieren. Allerdings ist es leicht möglich, dass Ihre Instruktionen für andere Menschen zwar leicht verständlich, für Ihren Hund aber völlig unklar sind.
Bullterrier Roman springt für sein Leben gern an Daniel, seinem Besitzer, hoch. Da- niel reagiert jedes Mal, indem er Roman an- schreit und ihn zurückstößt. Daniel nimmt an, dass er seine Meinung klar und deutlich sagt: „Roman, hör auf, an mir hochzusprin- gen!“ Doch Roman hört nicht auf. Warum versteht er nicht, was Daniel ihm sagen will?
Eine mögliche Erklärung ist, dass Roman Aufmerksamkeit liebt − selbst dann, wenn ________
Manche Menschen neigen dazu, unter- schiedliche Worte zu verwenden, die für den Hund jedoch jeweils dasselbe bedeuten sol- len. Für den Hund kann das ausgesprochen verwirrend sein! Sagen Sie manchmal „Run- ter!“, wenn Ihr Hund an Ihnen hochspringt, und manchmal „Auf deinen Platz!“, sind Sie in Ihrer Wortwahl nicht konsiquent. Ver- gessen Sie nicht, dass unsere Hunde kein Deutsch verstehen − es sei denn, wir brin- gen ihnen einzelne Signale bewusst bei. Haben Sie Ihrem Hund gelehrt, dass so- wohl „Runter!“ als auch „Auf deinen Platz!“ dasselbe bedeuten? Und was, wenn Sie außerdem von ihm erwarten, sich hinzu- legen, wenn Sie in einem anderen Kontext „Platz!“ zu ihm sagen? Wie unterscheiden sich „Platz!“ und „Auf deinen Platz!“ für Ihren Hund? Sind Sie bereits verwirrt? Ih- rem Hund geht es genauso!
Verwirrende Signale
Ist Ihr Hund aufgrund widersprüchlicher Signale verwirrt, zeigt er das gewünschte ________
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Verhalten vermutlich nur hin und wieder. Ein Beispiel hierfür ist ein Hund, der zwar manchmal kommt, wenn er von einem Fa- milienmitglied gerufen wird, aber nicht immer: Wenn Sie wollen, dass Ihr Hund zu Ihnen kommt, rufen Sie „Komm!“ Ihr Partner hingegen sagt: „Hier!“, Ihr ältester Sohn „Zu mir!“ und Ihre Tochter den Na- men des Hundes. Jeder Einzelne gibt dem gewünschten Verhalten einen anderen Na- men. Selbst für uns Menschen wäre eine solche Situation verwirrend − und für ei- nen Hund erst recht. Das Ergebnis ist ein Hund, der nur manchmal kommt, wenn er gerufen wird, weil das Signal ständig wechselt.
Verwenden Sie oder Ihre Familie unter- schiedliche Signale für dieselben Verhal- tensweisen, lassen sich die Probleme Ihres Hundes vielleicht darauf zurückführen, dass er sich nicht auskennt. Verwirrende Signale erschweren es außerdem, Verhal- tensprobleme zu lösen.
Fordern Sie Ihren Hund im Spiel
dazu auf, an Ihnen hoch zu sprin-
gen, kann es schwierig sein, dasselbe
Verhalten in anderen Situationen zu
unterbinden.
Unklare Signale
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Ein klassisches Beispiel für vage, unkla- re Signale ist die häufige Verwendung des Wortes „Nein!“ Klaut Ihr Hund Ihre So- cken, rufen Sie „Nein!“ und meinen da- mit: „Stiehl meine Socken nicht!“ Ihr Hund könnte aber glauben, dass Sie ihm damit sa- gen wollen, dass er die Socken zwar neh- men, aber nicht darauf kauen oder sich nicht damit auf die Couch legen darf. Er stiehlt die Socken also weiterhin, ohne sich eines Fehlers bewusst zu sein. Vielleicht bringt er Ihnen die Socken auch, wird mit einem scharfen „Nein!“ begrüßt und lernt daraus, Ihnen keine Socken mehr zu brin- gen. Er stiehlt sie nach wie vor, versteckt sie nun aber und hält sich damit außerhalb Ihrer Reichweite auf. „Nein!“ kann durch- aus kommunizieren, dass Sie sich ärgern; es ist aber ausgesprochen unspezifisch. Weder lässt es Ihren Hund wissen, womit genau Sie unzufrieden sind, noch, was er stattdes- sen tun soll.
Das soll nicht heißen, dass Sie niemals „Nein!“ sagen dürften. Tut Ihr Hund etwas, was er nicht darf, und Sie haben ihm noch kein Alternativverhalten beigebracht, oder gefährdet er sich selbst oder andere, spricht nichts dagegen, „Nein!“ einzusetzen. Sie sollten allerdings im Hinterkopf behalten, dass es sich dabei nicht um die beste Art der Kommunikation handelt. So könnten Sie Ihrem Hund zum Beispiel beibringen, ________
Sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund
das Stehlen von Socken nicht für
ein Spiel hält!
was „Sitz!“ bedeutet, und dieses Signal ein- setzen, um zu verhindern, dass er auf die Anrichte springt. Ebenso können Sie ihm lehren, dass „Lass es!“ bedeutet, dass er et- was nicht ins Maul nehmen soll. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, „Lass es!“ zu sa- gen, wenn er Ihre Socken ansteuert, und er weiß genau, dass er diese nicht aufheben darf. „Nein“ ist zu vage, um Ihren Hund wissen zu lassen, was genau er eigentlich tun (oder lassen) soll.
Inkonsequenz
Missverständnisse zwischen Hund und Hal- ter entstehen auch, wenn Sie Ihren Vierbeiner manchmal für bestimmte Verhaltensweisen belohnen und manchmal nicht. Im gemein- samen Spiel bellt Terriermischling Fritz sei- ne Besitzerin Linda an, bis diese den Ball für ihn wirf. Immer wieder bellt er und wird für sein Verhalten belohnt, indem er dem Spiel- zeug nachlaufen darf. Bald beginnt Fritz, auch zu bellen, wenn er andere Dinge will − darunter sein Futter, die Leine und Lin- ________
das Aufmerksamkeit. In diesen Situationen schimpft Linda allerdings mit ihm, sobald er laut wird. Allerdings hat sie ihm bereits bei- gebracht, dass Bellen erwünscht ist! Im Spiel hat sie ihn für eben dieses Verhalten belohnt. Fritz versteht nicht, warum er manchmal für seine Gesprächigkeit belohnt wird, in ande- ren Situationen jedoch nicht.
Im Grunde ist die Sache ganz einfach: Linda hat Fritz versehentlich beigebracht, dass sie ein bestimmtes Verhalten (Bellen) schätzt. Ihm ist nicht klar, dass dies nur für einen ganz bestimmten Kontext (Spielen) gilt. Wenn Sie problematische Verhaltensweisen manchmal belohnen und manchmal nicht, verschlimmern sich diese aufgrund Ihrer Unbeständigkeit.
Das waren nur einige wenige Beispiele für die zahlreichen Missverständnisse, die zwi- schen Hund und Mensch entstehen können. Problematische Verhaltensweisen lassen sich nur modifizieren, wenn jedes Familienmit- glied konsequent dieselben Regeln und Sig- nale anwendet.
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Haben Sie realistische Erwartungen, was Spezies, Alter und Rasse (oder Rassen) Ihres Hundes betrifft? Unrealistische Erwartun- gen ziehen häufig Verhaltensprobleme nach sich. Unter den häufigsten unrealistischen Erwartungen finden sich folgende:
Ein acht Wochen alter Welpe kann die Nacht durchhalten, ohne sein Geschäft verrichten zu müssen.
Ein vier Monate alter Welpe kann ei- nen achtstündigen Arbeitstag durchhal- ten, ohne sein Geschäft verrichten zu müssen.
Hunde sollten sich von Kindern alles ge- fallen lassen. Es ist in Ordnung, wenn Kinder auf den Hund klettern, an Ohren und Rute ziehen oder den Hundekopf festhalten und dem Hund direkt in die Augen sehen.
Hunde sollten von sich aus wissen, dass sie nicht an Sofas, Kästen, Kinderspiel- zeug, Schuhen usw. kauen dürften.
Hunde, die einen Hundeschul-Kurs an der Leine absolviert haben, sollten auch im Freilauf immer kommen, wenn sie gerufen werden.
Hunde sollten unsere Signale immer befolgen, ganz gleich, was rund um sie passiert.
Ängstliche Hunde legen ihre Furcht von selbst ab; man muss einfach nur abwarten.
Ein Hund sollte für Sie arbeiten, weil Sie ihn loben. Lob sollte ihn immer und überall ausreichend motivieren, um ge- horsam zu sein.
Ärgern Sie sich darüber, dass Ihr Retriever alles ins Maul nimmt? Dass Ihr Border Col- ________
Für manche Hunde ist Spielen eine bessere Belohnung als Futter.
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Unrealistische Erwartungen
lie Ihre Kinder zu hüten versucht? Dass Ihr Boxer so viel Energie zeigt, dass Sie kaum mehr eine ruhige Minute haben? Dabei han- delt es sich um rassetypische Eigenschaften. Ganz gleich, ob Sie Ihren Hund für jene Auf- gaben einsetzen wollen, für die er ursprüng- lich gezüchtet wurde, oder nicht − seine DNA lässt sich nicht ausschalten. Haben Sie einen Mischling, so zeigt dieser eine Kombination aus den Eigenschaften seiner Ursprungsrassen.
plus eins ergibt fünf Stunden. Ein vier Monate alter Welpe kann also maximal fünf Stunden lang durchhalten, bevor er sein Geschäft verrichten muss.
Hunde sollten sich von Kindern alles ge- fallen lassen. Es ist in Ordnung, wenn Kinder auf den Hund klettern, an Ohren und Rute ziehen oder den Hundekopf festhalten und dem Hund direkt in die Augen sehen.
Unrealistische Erwartungen können gene- tisch bedingte, jedoch unerwünschte Ver- haltensweisen noch weiter verschlimmern. Stellen Sie sicher, dass Sie verstehen, wel- che Verhaltensweisen typisch für Ihre Hun- derasse sind, bevor Sie mit dem Training beginnen. Auch ein Gespräch mit Ihrem Trainer oder Tierarzt kann hilfreich sein, um sich realistische Ziele zu stecken. Die folgende Liste zeigt auf, welche realistischen Erwartungen Sie an Hunde im Allgemeinen stellen können:
Manche Hunde tolerieren diese Art von Verhalten; manche mögen es sogar. Das gilt allerdings bei Weitem nicht für alle Hunde. Ein Hund ist weder ein Kletter- gerüst noch ein Pferd. Kinder sollten we- der auf ihm reiten noch herumklettern. Einen Hund an Rute oder Ohren zu zie- hen ist gemein. Den Kopf eines Hundes festzuhalten und ihm direkt in die Augen zu sehen gilt unter Hunden als Konfron- tation und kann als Bedrohung emp- funden werden. Kinder werden in der Regel darum gebissen, weil sie sich dem Hund gegenüber falsch verhalten. Wir selbst lassen uns nicht von jedem, der uns begegnet, grob anfassen. Von unse- ren Hunden sollten wir das ebenso wenig erwarten.
Ein acht Wochen alter Welpe kann die Nacht durchhalten, ohne sein Geschäft verrichten zu müssen.
Ein normaler Welpe muss in diesem Al- ter ein- bis zweimal pro Nacht sein Ge- schäft verrichten.
Ein vier Monate alter Welpe kann ei- nen achtstündigen Arbeitstag durchhal- ten, ohne sein Geschäft verrichten zu müssen.
Kindern zu erlauben, mit Hunden falsch umzugehen, ist nicht nur unfair ge- genüber dem Hund, sondern auch ge- genüber dem Kind: Ein Kind, das am eigenen Hund herumklettern und ihn an Ohren und Rute ziehen darf, glaubt, dass es sich allen Hunden gegenüber so verhalten darf. Kleine Kinder verstehen nicht, dass sich der eigene Hund anders verhält als fremde Hunde. Für Kleinkin- der sind alle Hunde gleich! Wird einem Kind erlaubt, falsch mit dem eigenen Hund umzugehen, ist es leicht möglich, dass es sich gegenüber einem fremden Hund genauso verhält. Ist dieser weniger ________
Ein normaler Welpe muss in diesem Al- ter mindestens einmal zwischendurch sein Geschäft verrichten.
Eine Faustregel: Das Alter Ihres Welpen in Monaten plus eins entspricht der An- zahl der Stunden, die er (zum Beispiel in einer Hundebox) durchhalten kann, ohne sich lösen zu müssen. Vier Monate ________
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tolerant, können die Konsequenzen ver- heerend sein.
Hunde sollten von sich aus wissen, dass sie nicht an Sofas, Kästen, Kinderspiel- zeug, Schuhen usw. kauen dürften.
Hunde können lernen, dass sie an be- stimmten Dingen nicht kauen dürften − jedoch müssen Sie ihnen das erst bei- bringen. Sie wissen nicht automatisch, welche Gegenstände tabu sind. Kauen ist für Hunde ganz natürlich, und während Sie Ihre Lederschuhe für modisch halten, hält Ihr Hund sie für köstlich.
Hunde, die einen Hundeschul-Kurs an der Leine absolviert haben, sollten auch im Freilauf immer kommen, wenn sie ge- rufen werden.
Genau wie wir lernen auch unsere Hun- de, indem sie erst einfache Varianten eines Verhaltens meistern, bevor nach und nach der Schwierigkeitsgrad gestei- gert wird. Der Unterschied von Verläss- lichkeit an der Leine und Verlässlichkeit im Freilauf ist zu groß, um ohne Zwi- schenschritte bewältigt zu werden. Ihr Hund kann lernen, im Freilauf zu folgen − allerdings müssen Sie sich diesem Ziel kleinschrittig annähern. Lassen Sie die Zwischenschritte ausfallen, ist die Erwar- tung, dass der Hund im Freilauf auf Sie hört, unrealistisch.
Hunde sollten unsere Signale immer befolgen, ganz gleich, was rund um sie passiert.
Auch das ist ein Beispiel für etwas, das ____________
erst kleinschrit- tig gelehrt wer- den muss, bevor wir es von un- serem Hund er- warten können. Hunde gene- ralisieren nicht automatisch. Viel- leicht setzt sich Ihr Hund, wenn Sie ihn dazu auf- fordern. Gelingt ihm das aber auch, wenn es zugleich an der ________
Hunde genießen
Lob und Auf-
merksamkeit von
ihren Lieblings-
menschen.
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Tür läutet? Wenn Sie gerade einen Tel- ler belegter Brötchen neben ihm haben fallen lassen? Während ein Eichhörn- chen vor ihm über die Straße flitzt? Wenn wir einem Hund beibringen, unse- ren Signalen selbst dann zu folgen, wenn rund um ihn Ablenkungen locken, spre- chen wir davon, sein Verhalten „abzusi- chern“. Es ist unrealistisch, zu erwarten, dass Ihr Hund in Gegenwart von Ablen- kungen verlässlich folgt, solange sie die Signale nicht abgesichert haben.
Ablenkungen, wohin man
auch blickt
Ängstliche Hunde legen ihre Furcht von selbst ab; man muss einfach nur abwarten.
Hunde lassen sich leicht ablenken, wenn rund um sie etwas los ist − besonders Welpen! Das ist ganz normal. Problematisch wird die Sa- che allerdings dann, wenn die Ablenkungen unerwünschte Verhaltensweisen hervorru- fen: Ist Ihr Hund so fasziniert von Eichhörn- chen, Katzen oder Autos, dass er an der Leine in alle Richtungen zieht und Sie nicht mehr zu hören scheint, ist es an der Zeit, etwas zu ändern!
Angst ist eine starke Emotion. Hunde brauchen Hilfe, um sie zu überwinden. Ohne geeignete Interventionen ver- schwindet Angst so gut wie nie. Statt Ih- rem Hund Zeit zu geben, empfehlen sich Verhaltensmodifikation und, sollte das Problem besonders schwerwiegend sein, sogar Medikamente.
Wenn Sie durch Ihr Viertel schlendern, neh- men Sie rund um sich zahlreiche Dinge wahr. Ihr Hund allerdings nimmt noch viel mehr wahr: Hunde riechen Dinge, die Ihnen ver- borgen bleiben. Wussten Sie, dass die Nase Ihres Vierbeiners 100.000 Mal besser ist als Ihre, und dass er selbst Dinge riechen kann, die sich zwölf Meter unter der Erdoberfläche befinden? Dazu kommt, dass er auch besser hört als Sie. Hunde mit Stehohren hören noch besser als Hunde mit Schlappohren, aber bei- de können etwa viermal so gut hören wie der Mensch. Führt man sich das vor Augen, wird klar, dass auf unsere Hunde wesentlich mehr Umwelteindrücke einstürzen als auf uns.
Ein Hund sollte für Sie arbeiten, weil Sie ihn loben. Lob sollte ihn immer und überall ausreichend motivieren, um ge- horsam zu sein.
Was würde Ihr Hund wählen, wenn Sie ihm Futter und Lob oder ein Eichhörn- chen und Lob zur Auswahl anbieten würden? Welche der beiden Optionen erregt mit größerer Wahrscheinlichkeit seine Aufmerksamkeit? Lob ist durchaus ein guter Verstärker, doch kann es sel- ten mit anderen Dingen, die Ihr Hund von Natur aus verlockend findet, mit- halten. Das ist ganz normal, auch wenn sich unser Ego wünscht, dass es an- ders wäre. Während Ihr Lob manchen Mitmenschen sehr wichtig ist, steht es wahrscheinlich nicht an erster Stelle der Wunschliste Ihres Hundes.
Ihr Hund kann Ihre Signale erst dann ver- lässlich ausführen, wenn Sie diese nicht nur in einfachen Umgebungen, sondern auch unter verschiedenen Ablenkungen und in unterschiedlichen Situationen üben. Haben Sie diese Dinge nicht bewusst trainiert, haben Umweltreize einen großen Einfluss auf die Leistung Ihres Hundes.
Hunde, die sich fürchten, werden von der Umgebung besonders stark beeinflusst: Ein ängstlicher oder schüchterner Hund sieht ________
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