image

Jo-Rosie Haffenden

DogYoga

Hunde mental und
körperlich stärken

www.dogbooksonline.co.uk

© 2015 First Stone Publishing

Impressum:

Titel der englischen Originalausgabe: The Real Dog Yoga © 2015 First Stone Publishing, St. Martin’s Farm, Zeals, Warminster, BA 12 6 NZ, UK © für die deutsche Ausgabe 2015 Kynos Verlag Dr. Dieter Fleig GmbH, Konrad-Zuse-Str.3, 54552 Nerdlen

Aus dem Englischen übersetzt von Gisela Rau

eBook der Printversion

eBook-ISBN: 978-3-95464-053-9

ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-95464-036-2

Alle Fotos einschließlich Titelbild: John Daniels

Widmung

Für Archie, meine Muse.

Für Ella, meine Prinzessin.

Für meine Mutter und meinen Vater, meine Leuchtfeuer.

Für David, meine Inspiration.

Mit Dank an Ry and Claire für die Hilfe auf meiner Reise; an Ethan und

Faith dafür, dass ihr so wunderbar seid und an Hanna, Rach und Amy

für all die ständige Unterstützung.

INHALT

VORWORT

ÜBER DIE HUNDE

EINLEITUNG

Wie können Hunde von Yoga profitieren? Warum kommt es bei unseren

Haushunden zunehmend zu Problemen?

Warum sollten wir ihnen Positionen beibringen?

TEIL 1: DIE LERNUMGEBUNG

Optionstraining ist eine Lernmethode, in der Lerngeschwindigkeit,

Pausen, sowie eine Untermauerung mittels Opt in/Opt out berücksichtigt werden.

Bei Hund und Hundebesitzer werden damit Geduld und außerordentliche

Clickertrainings-Fähigkeiten gefördert.

TEIL 2: WIE MAN DOGYOGA TRAINIERT

Es gibt 30 Positionen, die sich in drei Kategorien unterteilen lassen:

Sitzen, Liegen und Stehen. Darauf folgen 15 langsame, ruhige Aktionen

sowie 10 spezielle Kommunikations-Ausdrücke.

TEIL 3: DOGYOGA IN SCHWIERIGER UMGEBUNG UND PROBLEMATISCHEN SITUATIONEN

Unterschiedliche Faktoren führen dazu, dass viele Hunde unter Angst

und Frustration leiden, was wiederum zu Problemverhalten führen kann.

Wie kann Dogyoga solchen Hunden helfen, und wie hilft es Hunden,

die sich in problematischer Umgebung befinden?

ÜBER DIE AUTORIN

VORWORT

Ich habe das Vergnügen, Jo-Rosie Haffenden und ihren erstaunlichen, außergewöhnlichen Pit Bull Terrier Archie schon länger zu kennen und wir haben über die Jahre immer wieder Gedanken und Ideen miteinander ausgetauscht. Als Jo-Rosie mich um dieses Vorwort bat, nutzte ich sofort die Chance, einen ersten Blick in ein entstehendes Buch zu erhaschen, von dem ich wusste, dass es toll werden würde.

Ich hatte gedacht, dass ich meinen Beitrag sicher ein paar Tage, nachdem ich den Ausdruck bekommen hatte, fertig haben würde – aber da lag ich falsch. Dieses Buch schlug mich ab dem Moment, als ich den ersten Abschnitt gelesen hatte, in seinen Bann. Ich fühlte mich ganz und gar hineingezogen und meine Begeisterung wuchs mit dem Lesen jeder weiteren der schön gestalteten Seiten. Ich konnte es nicht weglegen und kämpfte um die richtigen Worte, um es so zu würdigen, wie es ihm zukommt.

Als jemand, der ebenfalls mit Hunden arbeitet, weiß ich zu gut, wie wichtig es ist, beim Training unserer vierbeinigen Freunde mit ruhigen und nicht-invasiven Techniken zu arbeiten, die flüssige, ausbalancierte Bewegungen fördern, alte Anspannungsmuster auflösen und das parasympathische Nervensystem aktivieren, sodass Lernen stattfinden kann. Jeder Abschnitt dieses tollen Buchs blieb bei mir hängen. Es ist durch und durch brillant, regt zum Nachdenken an und ist einfach nur erfrischend zu lesen.

Jo-Rosie erkennt die untrennbare Verbindung zwischen Körperhaltung und Verhalten, und sie versteht und berücksichtigt, wie Hunde lernen.

Sie teilt ihren Erfahrungsschatz auf eine Art und Weise, die Hundehalter dazu inspiriert und ermutigt, das wahre Potenzial ihrer Begleiter zu entdecken – über durchdachte Verbindungswege, die zu weitreichenden Verbesserungen führen werden. Ihr Buch verhilft zu mehr Gelassenheit in einer hektischen Welt und ermöglicht Haltern den Aufbau einer ruhigen, friedlichen und harmonischen Beziehung zu ihren vierbeinigen Freunden, die auf tiefem Verständnis, Geduld, Respekt und großer Freude beruht.

Bei Dogyoga geht es nicht um „Training“ oder darum, einen Hund zum Mitmachen bei sinnlosen und/oder potenziell belastenden Aktivitäten zu zwingen, die nur dem eigenen Vergnügen dienen. Es geht um Bildung im wahrsten Sinne des Wortes und um das Vermitteln von Lebensfähigkeiten – Fähigkeiten, die jedem Hund nutzen, egal wie alt er ist oder was erlebt hat. Es erinnert die Halter daran, immer die Augen dafür offen zu halten, was möglich ist und befreit Menschen wie Hunde von Begrenzungen.

Dies ist ein außergewöhnliches Buch, das neue Dimensionen zu unserem bestehenden Wissen und zu unseren Fähigkeiten hinzufügen wird, egal, wie groß diese schon sind – und es ist eines, das ein wunderbares, nachsichtiges und tolerantes Wesen ehrt – den Hund.

Sarah Fisher

image

Sarah Fischer ist TTouch®-Instruktorin und Verhaltensberaterin. Sie hat mit Linda Tellington Jones und Robyn Hood gearbeitet und organisiert die TTouch®-Ausbildungen in Großbritannien. Sie arbeitet seit über 17 Jahren mit Tieren und bildet die Tierpfleger vieler großer Tierheime in England aus, darunter Battersea Dogs and Cats Home, Mayhew Animal Home, Blue Cross, Wood Green Animal Shelter und Dogs Trust. Sie referiert und leitet internationale Workshops und ist regelmäßige Dozentin im Ausbildungsprogramm des Dogs Trust International.

Sarah ist Autorin von Unlock Your Dog’s Potential (dt. Anti-Stress-Programm für Hunde) sowie neben Marie Miller Co-Autorin der in mehrere Sprachen übersetzten Bücher 100 Ways to Train the Perfect Dog und 100 Ways to Solve Your Dog’s Problems.

DIE HUNDE

MARLEY

image

Rottweilermix Marley kam mit sechs Monaten aus dem Tierschutz zu seinen neuen Besitzern. Leider hatte er Probleme mit territorialer Aggression und war gegenüber manchen fremden Menschen angstaggressiv. Mit Dogyoga kann Marley sich deeskalieren, wenn er sich gestresst fühlt. Das hat seine Angst vor fremden Menschen verringert und damit auch sein Bedürfnis, seinen eigenen Raum zu verteidigen.

NORA

image

Nora kam mit acht Wochen als süßer Borderterrier-Welpe ins Haus. Sie liebt ihren Besitzer sehr und hatte einige Bindungsprobleme, die zu Trennungsangst führten. Jetzt hat sie einen Gassigeher, der dafürsorgt, dass sie bekommt, was sie braucht. Mit Dogyoga kann sie ihren Stress senken, wenn sie alleine ist und entspannt bleiben.

ALFIE

image

Alfie ist ein kleiner Chihuahuamix. Er kam mit acht Wochen, leider aber auch schlechten Erfahrungen mit anderen Hunden in sein neues Zuhause, sodass er Angst vor fremden Hunden hatte. Dogyoga half Alfie, entspannter in Situationen mit anderen Hunden hineinzugehen und sich selbst zu beruhigen, wenn er sich ängstlich fühlte. Seine Besitzerin berichtet außerdem, dass er im Fall von Unsicherheit mehr Beschwichtigungsgesten gegenüber anderen Hunden zeigt, seit sie diese unter Signal gesetzt hat.

BUBBLES

image

Bubbles ist ein Kooikerhondje-Mix und kam mit 12 Monaten aus dem Tierschutz, nachdem sie sehr früh als Zuchthündin missbraucht und mit ihren Welpen im Zwinger allein gelassen worden war. Bubbles ist sehr ängstlich, aber auch sehr schlau! Sie hat Angst vor fremden Hunden und Menschen, auch mit neuen Situationen und Orten kann sie nur schlecht umgehen. Ihre Besitzerin nutzt Dogyoga, um ihre Angst in neuen Situationen und bei Begegnungen mit neuen Hundefreunden zu verringern.

LILY

image

Lily ist ein Mix aus Saluki und Greyhound und fand ihr Zuhause aus dem Tierschutz heraus mit 11 Wochen. Im allgemeinen ist sie sehr gelassen und entspannt. Sie hat keine Verhaltensprobleme, leidet aber mit jetzt 11 Jahren unter der ein oder anderen Steifheit. Dogyoga lockert ihre Gelenke und hilft ihr, in Topform zu bleiben!

RALPH

image

Ralph ist ein American Bulldog-Mix aus dem Tierheim. Er leidet unter Frustrationsproblemen und zeigte außerdem Ressourcenbewachung. Ralph hatte zudem erhebliche Gesundheitsprobleme, was dazu führte, dass er zeitweise nur wenig Bewegung hatte und auf Spaziergängen stets angeleint sein musste. Sein Besitzer nutzt Dogyoga, um ihn geistig auszulasten und aus Schwierigkeiten herauszuhalten!

BENJI

image

Benji ist ein 16 Wochen alter Stafforshire Bull Terrier – Mix. Er lernt gerade erst Dogyoga, um ein paar kleinere Angststörungen zu bekämpfen, die er aus dem Tierheim mitgebracht hat.

JACKSON

image

Jackson ist ein arbeitender Collie, der aber mit im Haus lebt. Er ist sehr schlau und braucht viele Anreize, um zufrieden zu sein. Er tritt manchmal auch im Fernsehen auf und kam schon in mehreren Zeitschriftenbeiträgen vor. Wir sind immer auf der Suche nach Dingen, die ihn geistig auslasten. Dogyoga hilft ihm außerdem auch in stressigen neuen Situationen.

ELLA

image

Ella ist ein sehr energiegeladener Magyar Vizsla. Sie ist schlau, aber auch schnell frustriert. Als Ergebnis ihres triebigen Wesens und ihrer Frustration sowie ihres zarten Alters von 11 Monaten hat sie nur wenig Impulskontrolle. Wir haben Dogyoga eingesetzt, um ihr zuhause mehr Ruhe beizubringen, sich besser zu konzentrieren und ihre starken Triebe zu kontrollieren, die sie nur zu schnell in Schwierigkeiten bringen können!

ARCHIE

image

Archie ist ein Pitbull Terrier, dem als Welpe leider die Ohren abgeschnitten wurden. Er kam mit sechs Monaten zu mir und litt an extremer Frustration und Angst. Archie inspirierte die gesamte Methode des Dogyoga, da er mit dem Druck des konventionellen Hundetrainings nicht umgehen konnte. DogYoga hat sein Leben verändert! Heute ist er in der Lage, glücklich mit Ella und einer Katze zusammenleben zu können, gern neue Leute kennenzulernen und spannende neue Orte zu entdecken!

EINLEITUNG

Geduld ist eine Tugend – im Hundetraining ist sie unverzichtbar. Die große Mehrheit der Aufgaben, die mit dem Zusammenleben mit Hunden zu tun haben, findet übereilt statt. Viele häufige Trainingsprobleme würden verringert oder gar gelöst, wenn wir uns für alles, was wir mit unseren Hunden tun, einfach doppelt so viel Zeit nehmen würden.

Wenn Sie einen Hund haben, ist Ihre erste Lektion: Setzen Sie sich ruhig hin und schauen ihm eine halbe Stunde lang zu. Ihre zweite Lektion: Setzen Sie sich in den Park oder auf eine Wiese und beobachten ihn eine weitere halbe Stunde lang. Wetten, Sie lernen in dieser Stunde mehr als in jeder Hundeschul-Stunde? Lernen Sie als Erstes, in Gegenwart Ihres Hunde still und leise zu sein: Seien Sie unsichtbar. Beobachten, hören und sehen Sie, wie Ihr Hund ungestört mit seiner Umwelt umgeht.

Der „unbearbeitete Stein“ im Taoismus (eine Übersetzung des chinesischen „Pu“) meint einen Zustand des reinen Potenzials, die Beschaffenheit des Geistes vor der Einmischung von Kräften. Unsere Hunde beginnen ihr Leben genau wie wir als unbearbeitete Steine. Wir müssen studieren, wer sie sind und ihnen dann dabei helfen, ihr Potenzial so zu formen und zu erreichen, dass wir mit der Natur arbeiten anstatt gegen sie – und ohne Kraft und Zwang.

Die Vorstellung von Handstand machenden oder die Pfoten kreuzenden Hunden erscheint in der Tat komisch, aber uns geht es bei der Betrachtung von Yoga für Hunde um spirituelle, mentale und körperliche Zielsetzungen. Im Lehrprozess sieht diese Disziplin eher wie eine Mischung aus Dressurreiten, Obedience und Tricktraining für Hunde aus.

Derzeit gibt es einen unguten Trend, dass Menschen zusammen mit ihrem Hund Yoga machen. Diese „Doga“ getaufte Methode ist eine sehr unglückliche Modeerscheinung. In der Re-gel werden die Übungsstunden von Yogalehrern abgehalten und die Teilnehmer bringen ihre Hunde mit. Die Idee dabei ist, dass die Hunde bei ihren Besitzern auf der Yogamatte bleiben und in bestimmte Übungen mit einbezogen werden. Doga zielt eher auf kleine Hunde ab und in den Kursen, bei denen ich zugeschaut habe, gab es vor allem Minihunde, die leicht zu halten und tragen sind. Zu den Übungen gehörten Dinge wie:

Der Besitzer hält seinen Hund hoch in die Luft, oft ohne Unterstützung für die Wirbelsäule.

Der Hund wird auf den Rücken gedreht und der Besitzer hängt über ihm.

Er wird auf den Rücken seines Besitzes gepflanzt und ist gezwungen, dort sein Gleichgewicht zu halten, falls er nicht abspringt.

All das hat rein gar nichts damit zu tun, den Hunden den mit den mentalen und körperlichen Übungen des echten Yoga verbundenen Nutzen zukommen zu lassen, sondern ist einfach nur eine Zwangsübung, die Hunde erniedrigt und die Besitzer in den Irrglauben führt, sie würden etwas zur Stressminderung tun - dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Traditionelles Yoga kann man als „das zur Ruhe bringen wechselnder Geisteszustände" definieren. Der Begriff „Yoga" tauchte erstmals in der Hinduschrift Katha Upanishad auf und bezog sich auf das Erreichen einer beständigen Kontrolle über die Sinne. In der modernen westlichen Industriewelt betrachtet man Yoga eher als Sportprogramm denn als Weg zu einem höheren Bewusstsein. Dabei wird jeder, der einmal Yoga gemacht hat, zustimmen, dass es nicht nur körperlichen, sondern auch geistigen Nutzen bringt. Yoga hilft Gesundheitsprobleme zu lindern, Muskelkontrolle zu verbessern, Stress zu mindern und positives Körperbewusstsein zu verbessern.

Charles Darwin äußerte 1872 zum ersten Mal die Idee, dass Gefühlsreaktionen beeinflussen, wie wir fühlen. „Der freie Ausdruck äußerer Anzeichen eines Gefühls intensiviert dasselbe", schrieb er. Die Wissenschaftsgemeinde unterstützt diese Theorie und es ist klar, dass der Ausdruck eines Gefühls das Verhalten steuert - wobei intensivere Gefühlsreaktionen zu intensiverem Verhalten führen.

image

Im Gegensatz zum „Doga" entscheiden sich die Hunde im Dogyoga zum freiwilligen Mitmachen bei Positionen, die die Mensch-Hund-Bindung stärken.

Seit Neuestem haben wir die Technologie, auch in das wache Hundegehirn zu schauen und zu erforschen, was im Inneren dieser mysteriösen „Blackbox" vorgeht. MRT-Studien an Hunden, die gelernt hatten, freiwillig in die MRT- Röhre zu gehen und im Wachzustand dort zu bleiben, brachten viele spannende, wenn zum Teil auch etwas vorhersehbare Ergebnisse. Wenn wir das menschliche Gehirn betrachten, können wir anhand der Aktivität des Nucleus caudatus Präferenzen vorhersagen. Gregory Berns, Professor für Neuroökonomie an der Universität Emory, fand heraus, dass für Hunde das Gleiche gilt. Wenn ein Handsignal Futter ankündigt oder der Besitzer in den Raum zum Hund zurückkommt, deutet Aktivität in diesem Hirnbereich auch auf positive Gefühle hin. Zusätzlich können wir den Spiegel von Hormonen wie zum Beispiel Oxytocin messen, das wir ausschütten, wenn wir Zuneigung empfinden. Oxytocin ist auch bei Hunden nachweisbar, was uns zu der begründeten Annahme führt, dass Hunde tatsächlich Liebe empfinden können und wissen, wenn sie geliebt werden.

Psychologen an der Universität von Cardiff in Wales sind der Theorie nachgegangen, dass unser Körperausdruck unsere Gefühle beeinflusst. Ihre Studien ergaben, dass Menschen, deren Fähigkeit zum Stirnrunzeln durch Botox vermindert wurde, im Durchschnitt glücklicher sind als die, die ihre Stirn runzeln können. Die Idee, dass nicht nur die Umgebung, sondern auch Körperhaltung und -ausdruck den Gefühlszustand beeinflussen können, ist etwas, das ich in den 29 Jahren, die ich bisher mit Hunden verbracht habe, auch bei ihnen beobachten konnte.

Caniden kommunizieren, wie viele Säugetierarten, vorwiegend über verschiedene Körperhaltungen. Genau wie das Lächeln oder Stirnrunzeln beim Menschen scheinen diese Haltungen das parasympathische Nervensystem zu stimulieren, welches auch für die Ausschüttung der glücklich machenden, positiven und beruhigenden Stoffe beim Ruhen/Verdauen oder Fressen/Fortpflanzen verantwortlich ist.

Dogyoga versucht, Sequenzen dieser positiven und beruhigenden Körperhaltungen zu trainieren und sie anschließend in bestimmten Abfolgen zu praktizieren, um die Gesundheit von Körper, Geist und Gefühlsleben und vor allem die Ruhe zu fördern.

Beim Dressurreiten zeigt das Pferd ein vorbestimmtes Spektrum beeindruckender Bewegungen, die nicht nur schön aussehen, sondern auch von einer unglaublichen Muskelkontrolle und oft einem bewundernswerten Dialog zwischen Pferd und Reiter zeugen. In der Welt des Hundesports haben wir Dogdancing, aber es ist ganz und gar nicht das Gleiche wie Dressurreiten. Dogdancing zeigt Disziplin und ein hohes Trainingsniveau, aber es ist für den Hund hochgradig erregend, oft frustrierend und trägt nichts dazu bei, Ruhe oder Kontrolle der Sinne zu bestärken, wie Yoga es für Menschen bewirkt und wie Dressurreiten es für Pferde bewirken kann.

Es gibt keinen Grund dafür, warum nicht auch Hunde die Vorzüge des Ruhe-Trainings genießen sollten, so wie wir, wenn wir Yoga machen. Das kann aber nicht von unwissenden Menschen erreicht werden, indem sie Hunde in Haltungen und Positionen zwingen, sondern muss mit allergrößtem Respekt und mit Würdigung des Hundes als fühlendem Wesen geschehen.

Im klassischen Yoga (für Menschen) gibt es 84 Asanas. Im Dogyoga gibt es 30 Haltungen, 15 Ausdrücke und 10 Aktionen. Es gibt auch noch schwierigere Haltungen für Fortgeschrittene, aber in diesem Buch geht es darum, Hunde in Muskelkontrolle, Körperbewusstsein, geistiger Konzentration und auch Impulskontrolle zu trainieren. Diese Basisübungen sind dazu gedacht, Stress zu mindern, Beweglichkeit und Flexibilität zu erhöhen und die Gesundheit von Körper und Geist zu fördern. Dogyoga kann außerdem die Mensch-Hund-Bindung erheblich verbessern und einen Dialog zwischen Besitzer und Hund in Gang bringen - über eine befähigte, ruhige und freiwillige Art des zwangsfreien Lernens.

image

Ella zeigt einen Diener, der ihren Rücken dehnt, ihr Körperbewusstsein steigert und sie lehrt, freundlich zu sein.

image

Archie lernt, seine Pfoten auf Signal zu kreuzen. Das verfeinert seine Fähigkeit, auf seinen Halter zu achten und genaue Verhalten auszuführen.

WARUM YOGA FÜR HUNDE?

Unsere Erwartungen an Hunde waren nie höher als heute. Wir erwarten von ihnen, dass mit jedem anderen Hund, jeder Katze, jedem Baby und jeder Person klarkommen, die sie treffen. Sie sollen melden, wenn Fremde ans Haus kommen, aber den Briefträger nicht anbellen. Sie sollen perfekt an der Leine gehen, auf Zuruf kommen, ihre Nase einsetzen, wenn wir es wollen, aber den starken Markierungsduft eines anderen Hundes ignorieren, wenn wir es gerade eilig haben. Sie sollen ruhig und unaufdringlich sein, aber dann, wenn wir es möchten, verspielt, und sie sollen nur auf den Dingen herumbeißen, die wir ihnen geben. All das wird von einer Spezies erwartet, deren Überleben von Plündern, der rechtzeitigen Wahrnehmung von Gefahren und Bedrohungen über den Geruch abhing, die ihre Zähne durch Kauen auf Gegenständen schärfen musste und die in einer sozialen Gruppe lebte.

image

Hunde kommunizieren ständig über ihre Körpersprache.

Eine Leine zum Beispiel ist für einen Hund etwas rein Willkürliches, genauso wie übrigens eine Hundetoilette, ein Clicker, ein Sofa oder das Wort „Sitz" - und doch erwarten wir, dass Hunde diese Gegenstände, Materialien und Worte verstehen. Ich sage nicht, dass wir unsere Erwartungen an diese kluge, emotional intelligente und hochgradig anpassungsfähige Spezies herunterschrauben sollten. Aber wir schulden es unseren vierbeinigen Begleitern zumindest, ihnen eine Idee davon zu vermitteln, was wir von ihnen möchten und eine gewisse Zeit damit zu verbringen, ihnen zuzuhören. Denn sie sprechen die ganze Zeit, wenn auch nicht in Worten

WELPEN

Gewohnheitsgemäß nehmen wir Welpen aus verschiedensten Herkunftsquellen im Alter von etwa sieben bis acht Wochen zu uns. In letzter Zeit gab es vermehrt Medienkampagnen zu den Auswirkungen schlechter Zucht auf die körperliche Gesundheit der Hunde. Die deutlichen Folgen, die sie auch auf Wesen und Verhalten haben kann, standen dabei weniger im Fokus.

Der verantwortungsvolle künftige Welpenbesitzer sucht Rasse und Züchter vorher aus. Er nimmt sich die Zeit, beide Elterntiere kennenzulernen, bevor er einen Welpen auswählt und achtet darauf, dass der Züchter den Wurf auf positive Weise mit verschiedenen Alltagssituationen wie Begegnungen mit anderen Tieren, fremden Gegenständen und Menschen verschiedenen Alters vertraut gemacht hat.

image

Benji ist ein 16 Wochen alter Staffordshire Bullterrier Mix. Er lernt Dogyoga, um kleinere Angstprobleme zu bekämpfen.

Hinterhofzüchter und Massenvermehrer züchten fürs Geld und haben weniger das Wohl der Welpen im Auge. Sie verpaaren Hunde ohne Rücksicht auf deren Wesen und Verhalten. Solche Welpen können genetisch für bestimmte Verhaltensweisen oder Gefühlszustande prädisponiert sein, da manche Verhalten durchaus eine genetische Komponente haben. Dazu kommt die vielleicht noch wichtigere Tatsache, dass Welpen Körperhaltungen und Reaktionen von ihren Eltern lernen. Allelomimetisches Verhalten - sowohl Nachahmung als auch soziale Aktivierung - bei dem die Anwesenheit mehrerer Hunde eine Steigerung der Verhaltensintensität bewirkt, wurde durchgängig in wissenschaftlichen Studien beobachtet. Angst, Ängstlichkeit und Frustration kommen viel häufiger bei Hunden aus schlechten Haltungsbedingungen vor. All diese sehr frühen Lernerfahrungen beeinflussen den Welpen, der in unsere häusliche Umgebung kommt und wir sollten deshalb im Hinterkopf behalten, dass manche Welpen von Geburt an eine viel höhere Wahrscheinlichkeit zur Entwicklung bestimmter Verhalten mitbringen als andere. Wir verpflanzen Welpen aber im zarten Alter von sieben Wochen in ein neues Zuhause und erwarten, dass sie sich an unser Leben anpassen - und das in vielen Fällen ohne Rücksicht auf mögliche schlechte Startbedingungen, die sie hatten. Welpen lernen von Geburt an Dinge über ihre Umwelt, aber mit positiver und geduldiger Fürsorge kann auch ein ängstlicher oder reizarm aufgewachsener Welpe noch „umgekrempelt" werden.

Ein Welpe beginnt ab dem Moment, in dem er zu uns kommt, etwas über sein neues Leben als Familienhund zu lernen, was Angst macht und was Belohnungen einbringt. Sozialisation sowohl in Bezug auf die Umwelt als auch auf Lebewesen und verschiedene Materialien (Verkehrshütchen, Mülltüten, hohe Absätze und ähnliche seltsame menschliche Erfindungen mehr) wird heute von den meisten Hundetrainern umfassend praktiziert. Ein verantwortungsvoller Halter stillt die körperlichen Nahrungsbedürfnisse des Welpen, macht ihn mit Dingen bekannt, an die er sich gewöhnen muss und lehrt ihn hoffentlich auch, selbstbewusst, neugierig und flexibel zu sein. Aber selten - wenn überhaupt - bringen wir unseren Welpen bei, ruhig und entspannt zu sein! Ab der siebten Woche und durch die ganze Welpenzeit neigen wir dazu, mehr Wert auf die aktiven Kommandos zu legen. Wir üben „Sitz", sobald es irgend geht. Dann kommen als nächstes „Platz" und meist die lustigen Dinge wie Pfote geben, Apportieren oder Bellen auf Kommando. Mit „Bleib" dagegen geben wir uns in der Regel erst ab, wenn der Hund etwas älter ist. Es kommt uns nicht einmal in den Sinn, ein entspanntes Liegen zu fördern oder Wert auf die Dauer des „Bleib" zu legen, wir vergessen, einen ruhenden Welpen zu belohnen oder einen, der auf dem richtigen Gegenstand herumkaut. Wir Hundehalter sind gut im Lamentieren, wenn etwas schiefläuft, aber unglaublich schlecht darin, einem jungen, schnell lernenden Welpen zu vermitteln, wie wir ihn denn gerne hätten.

image

Bei manchen Hunden kann das einfache Trauma eines Zwingeraufenthalts zu angstbasierten Verhaltensproblemen führen.

HUNDE AUS DEM TIERSCHUTZ

Da guten Menschen die gute Tat oft wichtiger ist als die beste Wahl für sich selbst, leben wir heute in einer Kultur der Tierschutz-Hunde. Diese unerwünschten, aufgegebenen oder streunenden Hunde erreichen heute später in ihrem Leben öfter den Status eines Familienmitglieds als Welpen vom Züchter. Ein noch neuerer Trend ist die Adoption von Hunden aus dem Ausland. Es ist zwar großzügig und nett, Hunden aus aller Welt zu helfen, aber es wird noch nicht genug dafür getan, sie auch in eine ihnen völlig neue Kultur, Umwelt und in ein ungewohntes Klima zu integrieren.

Manche dieser Tierschutzhunde haben extrem traumatische Erfahrungen gemacht. Einer meiner eigenen Hunde bekam die Ohren abgeschnitten, und der Hund einer Kundin musste eine „Hauskastration" über sich ergehen lassen. Als ich noch in einer Londoner Tierklinik arbeitete, bekam ich in Mülltonnen geborene Welpen zu sehen, Hunde, die mit Säure übergossen wurden oder sogar solche, die mit Messern attackiert oder die angeschossen wurden.

All diese (größeren und kleineren) Traumata können erheblichen Einfluss auf Verhalten, Bindung und generellen Gefühlszustand haben. Solche Hunde leiden häufig unter Angst und angstbedingen Verhaltensproblemen. Sie sind auch nicht so gut für den Umgang mit dem „normalen" Leben als Haushund gerüstet, weil sie oft entweder gar nicht oder nur mit aversiven Methoden trainiert wurden und in ihrer frühen Welpenzeit zu wenig oder schlecht sozialisiert wurden.

Solche Hunde brauchen deutlich mehr Unterstützung beim Lernen. Ihre bisherigen Erfahrungen lassen sie die übliche Lernsituation als etwas Bedrohliches und Bedrückendes empfinden. Wenn ich solche Hunde treffe und mit ihnen arbeite, stellt sich heraus, dass die Schaffung einer lernfreundlicheren Umgebung etwas ist, das allen Hunden und Menschen helfen kann, und zwar unabhängig von ihrem Hintergrund.

UNERWÜNSCHTE UND GLEICHZEITIG ERWÜNSCHTE RASSEMERKMALE

Für unterschiedliche Zwecke wurden selektiv unterschiedliche Hunde gezüchtet. Windhunde zum Erspähen der Beute auf Sicht, zur Luftwitterung und zum Hetzen von Kleinwild, Bullterrier zum Beißen von Bullen und Bären, Jagdhunde zum Verfolgen von Fährten, zum Anzeigen, Jagen und/oder Bringen von Wild oder Hütehunde zum Zusammenhalten von Herden. Viele dieser Rassemerkmale sind in häuslicher Umgebung überflüssig, aber seltsamerweise finden viele Halter sie trotzdem toll. Wir lieben es, wenn ein Vizsla sich an Möwen anschleicht und ihnen vorsteht - es sei denn, er kommt nicht zurück oder bringt eine zahme Hausente mit. Oft bekommen solche Hunde, die für einen speziellen Zweck gezüchtet wurden, nie eine richtige Gelegenheit, ihr natürliches Verhalten zu zeigen und diesen Zweck zu verfolgen. Dies führt oft zu Frustration und bedeutet, dass der Hund eine Art und Menge von Energie in sich trägt, die sich als unerwünschtes Verhalten äußert.

DER WUNSCH NACH RUHE

Alle Hundebesitzer scheinen unabhängig von Rasse, Alter oder Herkunft ihrer Tiere einen Wunsch gemeinsam zu haben: Wir möchten gerne, dass unsere Hunde ruhig sind. Ruhig meint, dass sie keine Nervosität, keinen Ärger oder keine sonstigen starken Gefühle zeigen sollen. Natürlich können wir unseren

Hunden nicht beibringen, keine Gefühle zu haben. Was wir aber sehr wohl tun können, ist, Haltungen, Ausdrücke und Aktionen zu trainieren, die auf eine ruhige Gemütslage sowie einen konzentrierten, kontrollierten und positiven Zustand hinführen. Anschließend können wir dann an der Bindung zum Menschen arbeiten und die Haltedauer der Positionen steigern, um geistige und körperliche Gesundheit, gefühlsmäßige Stärke und Ruhe zu fördern.